Der CFO als Chefmeteorologe

Kommentar von Stefan Bergsmann

Dr. Stefan Bergsmann , Geschäftsführer bei Horváth & Partners Österreich
Dr. Stefan Bergsmann , Geschäftsführer bei Horváth & Partners Österreich(Alle hier veröffentlichten Pressefotos stehen zum honorarfreien Abdruck zur Verfügung.)Download

Wien – Die künftige Geschäftsentwicklung vorhersagen wie ein Wetterexperte - das schaffen Unternehmen noch kaum. Dabei gibt es technologische Hilfsmittel.

Zu jedem Nachrichtenformat gehört ein verlässlicher Wetterbericht. Die Vorhersage der Meteorologen beeinflusst den alltäglichen Griff in den Kleiderschrank und bestimmt unsere Wochenend-und Urlaubspläne. Sie wirkt sich sogar unbewusst auf unsere Gemütslage aus. Umso irritierender ist es, wenn ihre Prognose einmal danebenliegt. Das passiert aber nur in den seltensten Fällen, denn die Meteorologie hat komplexe mathematische Modelle entwickelt, mit denen sie das Wetter zuverlässig vorhersagt.

Was Wetterforscher erfolgreich praktizieren, ist für viele Unternehmen noch immer eine scheinbar unlösbare Herausforderung: eine Methode, die nächste Zukunft vorauszusagen. Genau hier steckt enormes Wertschöpfungspotenzial, das vielerorts noch vollkommen brachliegt. Das "Wetter" von gestern wird detailreich dokumentiert, der Ausblick auf die kommenden Tage und Wochen hingegen bleibt meist unklar. Entscheidungsträger in Firmen ziehen vielfach konkrete Schlüsse aus der Vergangenheit und projizieren diese in die Zukunft. Dies passiert streckenweise unstrukturiert und unkoordiniert, manchmal sogar aus dem Bauch heraus.

Fortschrittliche Unternehmen richten ihren ersten Blick auf die Großwetterlage, brechen starre Quartalsriten auf und leiten die Flut an verfügbaren Daten in neue Kanäle und Informationsstrukturen. Sie gehen auf die Suche nach wiederkehrenden Mustern in den Daten und entwickeln spezifische Algorithmen zur Vorhersage der weiteren Entwicklung. Bekannt ist diese Methode unter dem Begriff Predictive Analytics.

Kulturwechsel nötig

Dafür reichen aber nicht nur die technischen Voraussetzungen, entscheidend ist auch die Bereitschaft für einen Kulturwechsel. Echtzeitanalysen von einheitlichen und validen Datenströmen sind das tägliche Brot des Chief Financial Officer (CFO) 2.0. Als "Chef-Meteorologe" sollte er über Temperaturen, Windrichtung und Luftfeuchtigkeit wachen und die mittelfristigen Routen von Hoch-und Tiefdruckgebieten verfolgen.

In der Wetterzentrale des CFO laufen alle mittels der Algorithmen zu wertvoller Information verdichteten Daten von Vertrieb, Produktion, Finance und Controlling zusammen. Diese basieren wiederum auf einer riesigen Menge an relevanten Echtzeitdaten von Kundenbedürfnissen, Vertriebsanfragen, Auftragseingängen und Lagerständen über Rohstoffpreise und Währungskurse bis hin zu Website-Zugriffen, Trends in vorgelagerten Industrien und vielem mehr.

Zugegeben, künftige Marktund Geschäftsentwicklungen können nicht immer so präzise vorhergesagt werden wie das Wetter. Die Atmosphäre hält sich an physikalische Gesetze, während die Wirtschaft vom unsicheren Faktor Mensch abhängt. Doch gerade dann, wenn sich das Geschäftsklima sehr wechselhaft und labil präsentiert, sind Unternehmen mit effizienter Predictive Analytics dem Wettbewerb einen Schritt voraus.

Stefan Bergsmann ist Geschäftsführer der Managementberatung Horváth & Partners Österreich. Die Consulter sind Spezialisten für Unternehmenssteuerung und beraten eine Reihe von Firmen im Bereich Predictive Analysis.

Erschienen im Wirtschaftsblatt vom 10.11.2015

 

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