Péter Horváth: Abkehr vom Shareholder-Denken zwingend

"Controlling-Papst" für Gemeinwirtschaftlichkeit als oberstes Ziel unernehmerischen Handelns

Péter Horváth anlässlich seines Wien-Besuchs im Park Hyatt.
Péter Horváth anlässlich seines Wien-Besuchs im Park Hyatt. (Alle hier veröffentlichten Pressefotos stehen zum honorarfreien Abdruck zur Verfügung.)Download
Wien –

Der international anerkannte Experte für Unternehmenssteuerung und Performance Management, Prof. Péter Horvath (82), sieht den Trend weg vom reinen Shareholder-Denken als geradezu "zwangsläufig" an. Die Rolle des Unternehmens in der Gesellschaft muss heute neu definiert werden. Dazu gehört, dass auch die gesamte Umwelt im wortwörtlichen Sinne, Mitarbeiter und die Gemeinschaft als Ganzes (die Stakeholder) in die Unternehmensführung miteinbezogen werden.

Schon die Urväter der Betriebswirtschaftslehre, im besonderen Eugen Schmalenbach, hätten von der "Gemeinwirtschaftlichkeit" als oberstes Ziel eines Unternehmens gesprochen, erklärt Horváth im "TREND"-Interview. Und es sei tatsächlich so, dass das Gewinnstreben als alleinige Zielgröße verschwindet, weil die Wirtschaft eine Balance zwischen Gewinn, Ökonomie, Ökologie und sozialen Anliegen schaffen müsse. Das würden nicht nur die Kunden verlangen, sondern auch die eigenen Mitarbeiter. Sie wollen einen Sinn darin sehen, wofür ein Unternehmen überhaupt steht und was sie dazu beitragen - im Sinne eines gesellschaftlichen Auftrags.

Größter Wirtschaftsumschwung aller Zeiten

Horváth zufolge brachten die letzten 25 Jahre den größten Umschwung in der Wirtschaft, aber auch in der Technik, den wir jemals erlebt haben. Die Stichworte Globalisierung und Digitalisierung beschreiben diese Entwicklung am besten. Das würde auch sein Beratungsunternehmen in der täglichen Praxis erfahren. Wenn man bei einem größeren Unternehmen ein Beratungsprojekt startet, ist man immer auch gleich weltweit tätig, zumal auch die Kunden global agieren.

Managementberater seien hier besonders gefordert, weil sie bisher sehr stark eindimensional gedacht haben, immer nur den ökonomischen Zweck, die ökonomische Zielsetzung im Vordergrund sahen. Horváth: "Wir müssen heute versuchen, auch ökologische Aspekte in Messgrößen und Steuerungsgrößen zu gießen. Das gleiche gilt auch für soziale Aspekte, die wir ebenso einbeziehen müssen. Das heißt also, wir müssen schauen, wie wie eine Balance zwischen den drei Themen schaffen."

Erratische Politik verunsichert

Umwelt- und soziale Aspekte lassen sich nicht einfach mechanistisch in Zahlen transformieren. Da die direkte Steuerbarkeit von Unternehmen so zwangsläufig nicht mehr vorhanden ist, sind Manager und Unternehmenslenker doppelt gefordert. Hinzu kommen die Auswirkungen der vielfach erratischer werdenden politischen Entscheidungen. Wenn der Staat oder auch eine größere Organisation wie die EU bestimmte Zielgrößen oder auch Restriktionen setzen, beeinflusst dies natürlich jedes einzelne Unternehmen und die Gestaltung dieses Gleichgewichts. Vieles sei nicht vorhersagbar.

Chancen für Hidden Champions

Hinsichtlich der künftigen Aussichten europäischer Unternehmen sieht Horváth große Chancen, die allerdings branchenabhängig unterschiedlich sein können. Die Automobilindustrie etwa könne die vielfältigen neuen technischen Möglichkeiten nutzen und durch Forschung und Entwicklung eine Spitzenrolle einnehmen. Das gelte auch für viele anderen Branchen. Doch die große Stärke Europas seien die sogenannten "Hidden Champions", kleine, flexible, innovative Unternehmen, die eine bestimmte Marktnische besetzen und dies auch weltweit so gestalten können, dass hier tatsächlich ein bleibender Wettbewerbsvorteil entsteht. Hier sei es notwendig, dass die EU beiträgt, Grenzen abzubauen oder zumindest erträglicher zu gestalten.

Digitalisierung verändert Kundenbeziehungen

In punkto Digitalisierung sieht Horváth gerade für das spezielle Feld der Unternehmenssteuerung große Herausforderungen - in drei Richtungen. Die eine Richtung ist, dass sich alle Prozesse und Abläufe in Unternehmen ändern. Hinzu kommt zum Zweiten die Aufgabe, die Unmenge an Informationen, die auf ein Unternehmen einströmen, zu sortieren, auszuwerten und daraus schlaue Schlüsse abzuleiten, also das, was man heute als "Business Analytics" bezeichnet. Zum Dritten verändern sich auch die Produkte und Kundenbeziehungen der Unternehmen. Produkte seien heute nicht nur irgendeine physische Entität, sondern mit Dienstleistungen und Kundenbeziehungen verbunden, und daher richtig zu steuern, zu dosieren und zu gestalten.

Bei Künstlicher Intelligenz noch am Anfang

Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) stehen wir, glaubt Horváth, erst am Anfang einer Entwicklung. "Wir haben heute die Möglichkeit, mathematische Algorithmen zu entwickeln, die in der Lage sind, aus Informationen bestimmte Prognoseaussagen abzuleiten und diese durch neue Informationen immer intelligenter, immer schlauer zu machen." Das sei eine absolut spannende Entwicklung, die zeigt, dass es im Feld der Managementberatung immer wieder neue Herausforderungen gibt und damit für Berater wie Kunden die Möglichkeit, Erkenntnisgewinn zu generieren.

Prof. Péter Horváth (82) kam nach seiner Flucht aus Ungarn 1956 nach Österreich und später nach Deutschland, wo er eine glänzende Universitätskarriere absolvierte. Er war langjähriger Lehrstuhlinhaber für Controlling an der Unversität Stuttgart, wurde mit vier Ehrendoktoraten europäischer Universitäten und mehreren Staatspreisen ausgezeichnet und zählt mit 30 Büchern und über 400 Aufsätzen zu den Pionieren der modernen Wirtschaftswissenschaften. Sein Standardwerk "Controlling" liegt mittlerweile in der 13. Auflage vor. Seine 1981 gegründete Managementberatung Horváth & Partners beschäftigt heute über 1.000 Mitarbeiter in 13 Büros weltweit.

Video: https://www.youtube.com/watch?v=XlE0zchVKqc

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