REWE-Vorstand Michael Haraszti im Executive Talk

Herausforderungen des Lebensmittelhandels bleiben anspruchsvoll

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Wien – Der Vorstand der REWE International AG, Marcel Haraszti, zeigt sich mit der Neuaufstellung der Gruppe in Österreich rundum zufrieden. Der Markenwechsel von MERKUR auf BILLA PLUS sei ein Riesenerfolg, der Verlust der heimischen Marktführerschaft im Lebensmittelhandel kein Problem. "Marktanteile können auch arm machen", so Haraszti im Executive Talk mit Horváth Österreich-Chef Stefan Bergsmann.

Zu seinem Erfolgsrezept sagte der für 2.500 Filialen und rund 47.000 Mitarbeiter/innen in Österreich zuständige Manager: "Das Wichtigste ist, dass man die Leute mitnimmt." Er widme 30 bis 40 Prozent seiner Zeit der Personalführung und "das reicht oft nicht aus".

Ein Unternehmen sei wie eine Bewegung. Man müsse jeden mitnehmen und viel kommunizieren: "Es ist wichtig, klare Ziele vorzugeben, gut organisiert zu agieren und unbedingt Prioritäten zu setzen." Alle Themen seien wichtig, und da passiert es oft, dass man sich verstrickt und zu viele Sachen parallel macht. Da müsse man auch mal das eine oder andere weglassen - "was uns Managern ja oft schwer fällt".

Markenzusammenführung minutiös geplant

Die im April 2021 umgesetzte Markenzusammenführung von Merkur und BILLA zu BILLA und BILLA Plus nannte Haraszti eine "sehr spannende Aufgabe". Jeder Manager wünsche sich, einmal bei einem so großen Veränderungsprozess dabei zu sein. "Wir haben das minutiös geplant. Und ich muss sagen, wir haben noch nie in unserem Haus so fehlerlos gearbeitet - bis zum Big Bang. Es hat extrem gut funktioniert und es haben alle mitgeholfen, alle waren begeistert und voller Adrenalin und wollten diesen Zusammenschluss erfolgreich meistern."

Rückblickend hätte man die eine oder andere Sache etwas besser machen können. Aus seiner Sicht habe man zu wenig Fokus auf die notwendige Zusammenlegung der zwei Warenwirtschaftssysteme gelegt. "Da haben wir dann viel mehr Energie hineinstecken müssen als gedacht. Das hat uns schon aufgehalten bei anderen Themen. Und rückblickend war das sicherlich ein Fehler, dass wir zu wenig Ressourcen für dieses Thema abgestellt haben."

Ertragskraft wichtiger als Marktanteile

Zum Verlust der Marktführerschaft im Lebensmittelhandel meinte der Handelsmanager, seine Strategie sei es, über gute Leistung, ein gutes Sortiment und gute Kurantpreise ein gesundes und nachhaltiges Wachstum zu erzielen. "Auch 2021 wachsen wir im Kurantumsatz am stärksten. Das ist der gesunde Umsatz, der Umsatz, wo auch ein Ertrag bleibt. Sich nur Anteile zu erkaufen, das interessiert uns nicht."

Unternehmen, die nur über Aktionen wachsen, sind in Europa verschwunden. "Deshalb war unsere Strategie in den letzten drei Jahren, und die verfolgen wir auch konsequent, sukzessive die Aktionsanteile zu reduzieren." Man dürfe auch nicht vergessen, dass wir in Österreich einen Aktionsanteil von 40 Prozent im Vollsortiment haben. "Wir senken unseren Aktionsanteil pro Jahr um ungefähr ein Prozent. Das wirkt nicht viel, ist aber sehr viel. Wir konzentrieren uns auf ein gesundes Wachstum und das geht nur über das Kurantgeschäft. Das erhöht außerdem die Kundenzufriedenheit."

Bis zu 10 Prozent Online-Umsatz möglich

Im Online-Lebensmittelhandel sieht Haraszti inzwischen sehr viel Potenzial, mittelfristig bis zu zehn Prozent des Umsatzes. Mit "Click & Collect" kann man den Online-Handel schon jetzt mit dem stationären Bereich "verheiraten", sagte der Vorstand der REWE International AG. Und dann gibt es das klassische Online-Geschäft, die Zustellung, da habe er seine Meinung total geändert. Warum?

"Wir sehen, was für eine Dynamik da entsteht - auch durch COVID, aber auch durch andere Effekte. Wir machen derzeit in Österreich ungefähr 80 Mio. Umsatz online. Das ist im Vergleich zu 8 Mrd. Euro natürlich nicht sonderlich relevant, aber wir sehen, dass wir hier zweistellig wachsen. Wir könnten sogar noch mehr wachsen, hätten wir mehr Kapazitäten. Deswegen bauen wir auch zwei neue Auslieferungslager in Wien."

Die andere Seite sei, dass Online den Lebensmittelhandel "demokratisiert". Warum? "Wir haben viele neue Mitbewerber, die kommen zum Teil nicht aus dem klassischen Lebensmittelhandel. Das sind gute Logistiker, Start-ups - die haben alle eine Existenzberechtigung, und sie machen diesen Markt attraktiver für Kunden, und deswegen ist es wichtig, dass wir da als Vollsortimenter mitspielen. Man wird in Zukunft die Möglichkeit haben, damit Geld zu verdienen."

Nachhaltigkeit unverzichtbar

Neben den Digitalisierungsbemühungen ist der vertiefte Nachhaltigkeitsansatz eine wesentliche Richtschnur für die Zukunft der REWE Group in Österreich, betonte Haraszti. Nachhaltigkeit sei ein extrem wichtiger Bereich für das Unternehmen, COVID-19 habe das natürlich auch noch einmal beschleunigt, speziell das Thema Regionalität. "Die Leute wollen wieder etwas Verlässliches, etwas Vertrautes haben, daher dieser starke Bezug zur Heimat, zur eigenen Region."

Haraszti wörtlich: "Wir haben nur eine Welt. Wir wollen unseren Kindern etwas Vernünftiges hinterlassen. Sie lernen ja schon in der Schule, was Plastikflut bedeutet, wenn alle nur alles wegwerfen. Ich selbst werde zuhause ständig daran erinnert."

Was bedeutet das für die REWE Group? "Erstens, wir waren die Bio-Pioniere, für uns ist der Biobereich ein extrem wichtiger Bereich. Wir haben in Österreich auch einen deutlich höheren Bioanteil im Vergleich zu Deutschland. Und Bio leistet einen massiven Beitrag - der CO2-Verbrauch von Bioprodukten ist 30 Prozent niedriger als bei konventionellen Produkten."

Haraszti weiter: "Nachhaltigkeit bedeutet Regionalität. Aus der Region Produkte zu beziehen, ist nachhaltiger. Wir wollen, wenn wir Produkte kaufen, wissen, wo diese produziert werden, wie sie produziert werden, und wir wollen, dass die Menschen die sie produzieren, unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten. Das ist uns allen wichtig und daher werden wir auch, 2040, das ist unser Ziel, CO2-neutral werden."

Unternehmen weiter als Politik

Dass so manche Unternehmen da bereits weiter sind als die Politik, sei oft so. "Wenn wir so schnell arbeiten würden wie die Politik, dann hätten wir wahrscheinlich auch noch keine Scannerkassen und würden noch händisch abrechnen. Es ist oft auch ärgerlich: Wir würden gerne noch deutlich mehr für den ökologischen Wandel tun, wir brauchen dazu aber natürlich auch die politischen Rahmenbedingungen."

Hintergrund: Der "Executive Talk" ist ein Gesprächsformat der internationalen Managementberatung Horváth in Wien. Zum Gespräch geladen werden Führungskräfte von großen Unternehmen, die sich durch außergewöhnliche Leadership-Qualitäten auszeichnen. http://www.horvath-partners.com

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