#ETG19: Auswanderer kann man nicht aufhalten

Austausch mit Fremden kann Innovationen in der Heimat fördern

Der aus dem Kosovo stammende Schriftsteller Anton Marku schätzt die offene Kultur Europas.
Der aus dem Kosovo stammende Schriftsteller Anton Marku schätzt die offene Kultur Europas.(Alle hier veröffentlichten Pressefotos stehen zum honorarfreien Abdruck zur Verfügung.)Download

Wien – Menschen, die einen Neuanfang in einem anderen Land anstreben, kann man nicht aufhalten. Sie suchen ein besseres Leben und neue Perspektiven, aber auch Antworten auf Fragen zu ihrer Heimat und den dortigen Lebensbedingungen. Nur durch den Austausch mit anderen erlangen sie Gewissheit und Verständnis. Dafür nehmen sie auch große Schwierigkeiten in Kauf, sagt der aus dem Kosovo stammende Schriftsteller und Dichter Anton Marku, der an den diesjährigen Europäischen Toleranzgesprächen http://fresach.orgteilnehmen wird.

Marku, selbst vor zehn Jahren nach Österreich gekommen, sieht seine frühere Heimat als Beispiel dafür, warum Erfahrungen im Ausland für den Fortschritt zuhause unerlässlich sind. "Vor allem Intellektuelle aus Südosteuropa, und speziell dem Kosovo, verlassen ihre Heimat, da sie diese politisch und sozial für unerträglich halten. Das liegt aber vor allem daran, dass sie in ihrem eigenen Land sehr wenig bewegen können. Deswegen gehen sie auch ins Ausland, um zu studieren und neue Perspektiven zu gewinnen", meint Marku. "Der Entschluss zur Rückkehr ist dann aber zumeist schwieriger als die Entscheidung zum Weggehen."

Austausch auf beiden Seiten

Für viele Menschen gibt es aufgrund der untragbaren Verhältnisse im eigenen Land oft gar keine andere Möglichkeit, als ihr Zuhause zu verlassen. Der Schriftsteller hat selbst diese Erfahrung gemacht. Er kritisiert, dass sich in den vergangenen 20 Jahren auf dem Balkan eine neue Elite entwickelt hat, die sich aus Politikern, einflussreichen Medien und Wirtschaftsleuten zusammensetzt, die oft sehr anfällig für Korruption sind. "Intellektuelle haben in dieser Gesellschaft zwar immer noch eine Stimme, aber leider nur noch eine sehr leise", beklagt Marku. Deswegen treffen sie häufig die Entscheidung, ihrem Heimatland den Rücken zu kehren. Diejenigen, die im Ausland studieren, sammeln andere, neue Erfahrungen und verfügen so über mehr Know-how.

Marku zufolge ist genau dieses Know-how der einzige Weg, in der Heimat Innovationen voran und neue Ideen einzubringen. Nur so könne die Heimat wieder lebenswert werden. "Der Kosovo ist das am meisten isolierte Land Europas. Die Einwohner dort möchten genauso andere Europäer treffen, sich mit ihnen austauschen und von ihnen lernen", meint der Dichter. Dieser Austausch dürfe nicht einseitig sein. Die EU habe bereits hunderte Male versucht, ihr Know-how für Werte wie Frieden und Solidarität in den Balkanraum zu importieren, jedoch hätten von solchen Maßnahmen meistens korrupte Politiker profitiert.

Von Österreich lernen

Auswanderer sind fest entschlossen, sich fern der Heimat ein besseres Leben aufzubauen, auch wenn sie es sich hart erarbeiten müssen. Für Marku war es nicht leicht, in Österreich Fuß zu fassen. "Ich habe auch Bücher im Kosovo veröffentlicht und war dort ziemlich bekannt, aber hier musste ich von vorne anfangen. Man kann selbst in Österreich kaum vom Schreiben leben und für Zuwanderer ist das Schreiben vor allem aufgrund von Sprachproblemen doppelt so schwer wie für Einheimische. Aber ich habe nicht aufgegeben. Heute bin ich hier schon angekommen und angenommen, obwohl ich immer wieder um Anerkennung kämpfen muss."

Diese Anstrengungen sind es Marku allerdings wert: "In Österreich habe ich neue Perspektiven gewonnen. Ich fühle mich deutlich informierter, seit ich hier lebe. Mir sind Dinge wichtig geworden, für die es im Kosovo kaum Aufmerksamkeit gibt, zum Beispiel der Umweltschutz." Marku sieht Österreich als ein soziales Land, das wichtige Werte vertritt und eine Vorbildwirkung für den Balkanraum haben sollte. "Obwohl man in den letzten Jahren den Nationalstolz und Populismus stärken zu spüren bekommt, gibt es trotzdem in der Gesellschaft eine Willkommenskultur gegenüber Zuwanderern. Davon kann der Balkan viel lernen", meint der Dichter.

Anton Marku ist Vorsitzender des Bundes albanischer Schriftsteller und Kulturschaffender in Österreich "Aleksandër Moisiu". Seine Gedichtbände wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Marku wird wird bei den Europäischen Toleranzgesprächen sprechen, die vom 5. Juni bis 8. Juni 2019 in Fresach und Villach stattfinden.

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