Serafettin Yildiz: "Kunst ist Brücke zur Integration"

Sprache und Bildung sind wichtige Werkzeuge für Weltbürgertum

Serafettin Yildiz: "Kein Parademigrant"
Serafettin Yildiz: "Kein Parademigrant"(Alle hier veröffentlichten Pressefotos stehen zum honorarfreien Abdruck zur Verfügung.)Download

Wien – "Ich bin kein Parademigrant, ich bin in einem modernen Schulsystem aufgewachsen und war geistig und seelisch auf diese neue Kultur vorbereitet", erklärt Schriftsteller und Übersetzer Serafettin Yildiz http://serafettinyildiz.at im pressetext.Interview. "Nach meinem Studium in Izmir bin ich nach Österreich gekommen - Wien war zuerst nur als Zwischenstation geplant, aber es wurde zu einer ständigen Bleibe für mich."

Yildiz wird im Vorfeld der Europäischen Toleranzgespräche in Fresach http://fresach.org an zwei Gesprächsrunden zum Thema Migration und Integration teilnehmen. Zwischen 1978, als Yildiz erstmals nach Österreich kam, und heute hat sich ein wenig geändert. "Die Österreicher haben mittlerweile ein bisschen globales Bewusstsein bekommen, sie fahren ja auch in die Türkei auf Urlaub. Die Vorurteile sind im Alltag noch da, aber es ist nicht mit früher vergleichbar, als man die subtile Arroganz bereits gespürt hat, wenn man nicht Thomas oder Georg hieß."

Integration mit Bildung und Sprache

Yildiz ist unter anderem als Schulberater für Migranten tätig. Dabei stößt er immer wieder auf ein grundlegendes Problem: "Viele Menschen sind nur körperlich hier, seelisch und geistig bleiben sie aber dort, wo sie hergekommen sind. Sie müssen aber Teil der Wirklichkeit hier werden. Die Schule ist da eine wichtige Komponente - je mehr geistige Tiefe ich erlange, desto eher werde ich zu einem Weltbürger." Das gelte laut Yildiz nicht nur für Migranten, sondern auch für Menschen ohne Migrationshintergrund.

Dabei geht es auch um sprachliche Bildung. "Wenn ich einer Sprache nicht mächtig bin, werde ich die neue Welt, die neue Kultur nicht verstehen. Eine neue Sprache führt zu einer neuen Interpretation der Wirklichkeit. Da müssen Migranten natürlich ihre Hausaufgaben machen." Andererseits dürfen sie nicht gezwungen werden, ihre Muttersprache zurückzulassen. "Die Muttersprache ist das Haus der Seele, da sind die ganzen Emotionen verankert", meint Yildiz.

Gemäßigter Islam funktioniert nicht

Der gemäßigte Islam in der türkischen Regierung erschwert es den Menschen laut Yildiz aber, sich zu integrieren. "In den letzten 14, 15 Jahren hieß es zurück zum Glauben, zu den Wurzeln, zur Frömmigkeit - das ist leider ein großes Problem, das der Integration auch nicht förderlich ist." Etwa im Schulwesen, werde die Religion mitunter auch aus als Vorwand genommen, zum Beispiel um Mädchen vom Schwimmunterricht abzuhalten. "Ich hoffe, das hat einen vorübergehenden Charakter."

Yildiz hält dazu an, die aktuelle Situation in einem globaleren Kontext zu sehen; die USA waren bei der Einführung des gemäßigten Islams in der Türkei involviert und bei den Kriegen im nahen Osten maßgeblich involviert, und auch das digitale Zeitalter spielt eine Rolle. "In der Welt bewegt sich etwas und das ist nicht nur ein österreichisches oder europäisches Problem. Im digitalen Zeitalter vereinsamen die Menschen und dann werden Sündenböcke gesucht. Die Verfehlungen der westlichen und globalen Politik werden auf die Migranten projiziert. Wir Menschen in Europa sind selbst auch schuld an der Situation, die Kriege sind hausgemacht."

Kunst als ein Weg zur besseren Welt

Yildiz, der als Autor Mitglied des P.E.N.-Clubs http://penclub.at ist, führt das auch darauf zurück, dass es aufgestaute Energien in der Menschheit gibt, die nicht richtig kanalisiert werden können. "Dies führt zu Fremdenfeindlichkeit, Feindlichkeit gegenüber sich selbst, gegenüber dem Planeten. Kunst ist ein Weg dorthin, wo eine bessere Welt möglich wäre. Für mich persönlich wäre es eine Vision, Menschen die Möglichkeit zu geben, sich auszudrücken, zu schreiben, zu erzählen, zu malen - dadurch werden sie gelassener und ausgeglichener. Kunst ist die Brücke zur Integration, sie führt zu einer besseren, menschlicheren Welt."

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