Baden wird zur Marke – aber wie?

Gastkommentar zum Markenentwicklungsprozess der NÖ Kurstadt

Kurstadt Baden sucht neue Bestimmung
Kurstadt Baden sucht neue Bestimmung(Alle hier veröffentlichten Pressefotos stehen zum honorarfreien Abdruck zur Verfügung.)Download

Baden – Anfang September kündigte der Badener Tourismusdirektor Klaus Lorenz „das derzeit umfangreichste Markenentwicklungsprojekt in Österreichs Tourismusbranche“ an. Die Kurstadt Baden, so Lorenz in einer Aussendung an Journalisten und Medien, unterziehe sich einer umfangreichen Positionierungsarbeit, um sich für die Zukunft neu auszurichten. Auch österreichweit könnten Interessierte mittels Online-Befragung teilnehmen.

Als Berater war das „renommierte Hamburger Consulting-Unternehmen“ Brandmeyer Markenberatung ausgewählt worden. Dessen Partner, Bernhard Klein habe in den letzten Jahren schon die internationale Werbung des Wiener Tourismusverbandes sehr erfolgreich auf neue Beine und sich damit auch im österreichischen Tourismus eine sehr gute Reputation erwerben können. Die Markenprofis hätten neben Hamburg, Wien, Köln oder Dresden schon viele Städte und Destinationen erfolgreich ausgerichtet.

Unsere Tourismusprofis nahmen also an der Befragung im Internet teil, um mehr über die künftigen Pläne der Stadt Baden zu erfahren – natürlich aus touristischem Interesse. Zunächst fiel uns auf, dass hier ausschließlich Kur- und Tourismus-relevante Fragen gestellt wurden. Es wurde also lediglich die Motivation abgefragt, warum man Baden besuchen sollte. Dann wiederholten sich einige Fragen in anderer Konstellation, und am Ende fragte man sich selbst, ob diese Umfrage eigentlich neue Erkenntnisse bringen, oder Altbewährtes und ohnehin Bekanntes nur nochmals festigen soll.

Neue Perspektiven entstehen durch Exploration

Nun wissen wir zwar nicht, was die aktuellen Ziele des Positionierungsprozesses in Baden sind, aber es sollte sich herumgesprochen haben, dass funktionierender Tourismus (Städte, Kur- oder auch Ferientourismus) immer auch aus dem Zusammenspiel vieler ganz unterschiedlicher Standortfaktoren resultiert. Und es sollte zudem klar sein, dass man neue Perspektiven nur dadurch erzielt, dass man sich auch traut, bisher vielleicht unbekanntes Terrain zu betreten.

Die Befragung griff hier zu kurz und ging in eine sehr einseitige Richtung. Völlig außer Acht gelassen wurden die südlich von Wien ansässige Industrie, das Gewerbe, neue kulinarische Akzente und der in den letzten Jahren verstärkte Zuzug von Menschen in die Region, die eine große Chance für die Stadt Baden sind, aus ihrem nostalgischen Kaiser-Franz-Josef-Eck herauszukommen.

Aus der Ferne ist Baden verstaubt, altmodisch und kleinstädtisch, hat es in den letzten Jahrzehnten völlig verabsäumt, junges Publikum anzusprechen - dieses Publikum sollte nicht nur zum Urlauben und Partymachen kommen, sondern vor allem auch, um die Wirtschaft, Gastronomie und die ganze Stadt zu beleben, die an manchen Tagen ja wie ausgestorben wirkt. Auch ältere Menschen haben in der Regel lieber junge Leute um sich. Sie wollen nicht in ein „Altenheim“ oder einen Kurgarten abgeschoben werden, sondern belebte Plätze mit Kommunikation mit jugendlichem Esprit.

Vom Kopf auf die Füße

Die Badener Tourismusdirektion macht in der Umfrage den Fehler, den viele andere Destinationen auch machen. Sie fragt exakt das ab, wofür Baden schon heute steht: Betagte Gäste, Kuren, schöne Parks, K.u.K.-Theater, Entspannung, das Casino als Tüpfelchen auf dem "I". Sie fragt überhaupt nicht danach, was Baden tun müsste, um bei jüngeren Leuten zu punkten - nämlich Arbeitsplätze, attraktive Besucher-Highlights, interessante Bildungsangebote, Ansiedlungsangebote für Startup-Firmen und KünstlerInnen, kurzum all das, wofür Baden heute nicht steht.

Ganz generell: Marken-Entwicklungsprozesse von Zeit zu Zeit sind richtig und gut, um den Status quo und die Meinung der Betroffenen zu erheben. Wenn Baden aber etwas bewegen will in Richtung Zukunft, muss dieser Prozess vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Kultur müssen eine neue Perspektive einnehmen und die Frage stellen: Warum sollte ein 20-25jähriger junger Mann heute nach Baden kommen – egal ob als Gast, Besucher, Student, Zuzügler oder künftiger Familienvater. Erst wenn diese Frage eindeutig beantwortet werden kann, dann ist Baden auf dem richtigen Weg.

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